Pentixapharm will an die Frankfurter Börse
Seit 2016 gab es ihn nicht mehr: einen Börsengang in Frankfurt aus der deutschen Biotech-Szene. Das Therapeutika- und Diagnostikunternehmen Pentixapharm Holding AG plant ihn noch in diesem Jahr. Theranostics heißt das Schlagwort des Unternehmens mit Sitz in Würzburg und Berlin, das aus dem ebenfalls börsennotierten Isotopen- und Medizintechnikunternehmen Eckert & Ziegler hervorgegangen ist.
Selbst bei langjährigen Branchenkennern ist die erste Reaktion auf den angekündigten Börsengang nicht Freude über ein lange vermisstes Ereignis und eine solche Branchennachricht auf dem Kurszettel, sondern die Gegenfrage: Ist das überhaupt Biotechnologie? Doch man muss nicht weit ausholen, um die Verbindung von molekularer Feindiagnostik und zielgerichteter Therapie mittels eines spezifischen Antikörpers als biotechnologische Errungenschaft abzuleiten.
Durch das Andocken eines kurzlebigen und räumlich begrenzt stark strahlenden Isotops kann der Antikörper als Vehikel genutzt werden, um die strahlende Fracht direkt zum Tumor zu bringen und dort die Attacke, die der Antikörper sonst nur über den Effekt der Stimulierung des Immunsystems und der Anlockung von Immunzellen ausüben kann, deutlich zu verstärken. Die verschiedenen Anhängsel von Antikörpern mit Zellgiften sind derzeit in vielfältigen Entwicklungsprogrammen unter der Überschrift „Antikörper-Wirkstoff-Konjugate“ (ADC) zu sehen und man könnte rein technisch auch die Radioliganden zu einer Unterform der ADCs zählen.
Doch die Diskussionen um Kategorien und Definitionen oder die Trennschärfe zwischen Diagnostik, Therapie oder auch Branchen wie Medizintechnik versus Biotechnologie ficht Dr. Andreas Eckert nicht an. Mit seinem Unternehmen Eckert & Ziegler (EZAG) sitzt er als Hersteller und Lieferant von Radioisotopen verschiedenster Strahlungsarten sowie der entsprechenden Geräte zu deren Nutzung in unterschiedlichsten Anwendungen (auch weit über die Medizin hinaus) selbst an der Quelle, um solche Substanzen als neue Optionen in der klinischen Therapie und Diagnostik zu etablieren.
Die medizinische Bedeutung und das wirtschaftliche Potential radiopharmazeutischer Therapien werde durch „mehrere internationale M&A-Transaktionen in den letzten 12 Monaten mit einem Gesamtvolumen von rund 8 Milliarden US-Dollar“ unterstrichen, heißt es aus dem Unternehmen zum Branchenumfeld. Mit dem geplanten Börsengang will sich Pentixapharm in diesem Wachstumsmarkt strategisch positionieren, die finanziellen Ressourcen für die weitere Entwicklung der Pipeline kurzfristig ausbauen und den langfristigen Zugang zu Kapital sichern. Dabei steht das Unternehmen, obwohl erst kürzlich als eigenständige Tochter der EZAG gegründet, nicht am Anfang der Wirkstoffentwicklung, sondern bereits mittendrin, kurz vor einer zulassungsrelevanten Studie in den USA.
Ein Wirkstoff steht schon vor der Phase III
Im Mittelpunkt der Aktivitäten von Pentixapharm stehen die weltweiten Exklusivrechte an einer von der Universität München entwickelten Patentfamilie von radioisotopenmarkierten Liganden, die gegen den Zellmembranrezeptor CXCR4 gerichtet sind. Dieses Protein spielt eine entscheidende Rolle beim Tumorwachstum, bei der Ausbreitung von Metastasen und bei der Entstehung von Entzündungsprozessen. Pentixapharm profitiert von der Expertise und dem breiten Netzwerk auf dem Gebiet der Radiopharmazie, das die Muttergesellschaft mitbringt. So kann Pentixapharm auf Daten von mehr als 20 akademischen Partnern zurückgreifen, die das Potential des Zellmembranrezeptors CXCR4 für die Entwicklung von Radiopharmaka im Rahmen von Investigator-initiierten Studien (IIT) untersucht haben. Diese oft als „compassionate use“ deklarierten Heilversuche oder weiterführende Studien bieten Pentixapharm eine breite Datenbasis.
So breit, dass bereits vielversprechende Gespräche mit der FDA über eine Phase III-Zulassungsstudie in der Indikation primärer Hyperaldosteronismus (PHA) geführt werden, bei der die früheren klinischen Phasen einfach übersprungen werden können. Diese Studie soll im nächsten Jahr beginnen. In einem kürzlich abgehaltenen Pre-Application Meeting (Typ C) hat die FDA mitgeteilt, dass die wichtigsten Voraussetzungen für eine Phase III-Studie erfüllt sind. Konkret umfasst die klinische Pipeline von Pentixapharm darüber hinaus PentixaTher, ein auf Yttrium-90 basierendes Therapeutikum gegen Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), und PentixaFor, ein auf Gallium-68 basierendes Begleitdiagnostikum. Klinische Studien für beide Präparate haben in Europa bereits begonnen, darunter eine Dosisfindungsstudie für PentixaTher und eine Phase III-Zulassungsstudie für PentixaFor bei Marginalzonen-Lymphomen. Darüber hinaus wird PentixaFor als Diagnostikum für PHA, eine wichtige Ursache von Bluthochdruck, entwickelt.
Die Entwicklungskandidaten von Pentixapharm würden für einige der Indikationen First-in-Class-Radiopharmazeutika darstellen. Der Leitkandidat PentixaTher soll in kontrollierten klinischen Studien bei Patienten mit schwer behandelbaren T-Zell-Lymphomen. Besondere Aufmerksamkeit hatte eine Pilotstudie der Würzburger Universitätsklinik von 2022 erregt. Unter der Leitung von Prof. Andreas Buck und Team konnten bei fünf Patienten, die schwer kontrollierbare T-Zell-Lymphome aufwiesen und auf Standardtherapien nicht mehr ansprachen, mit Yttrium-90-CXCR4 (PentixaTher) Komplettremissionen erzielen. Die Erfolge brachten die Würzburger in der Novemberausgabe 2022 des Fachmagazins Journal of Nuclear Medicine (JNM) auf das Titelbild. Pentixapharm bemüht sich nun darum, die Wirksamkeit des Therapeutikums in einer kontrollierten Studie in einem größeren Patientenkreis zu bestätigen.
Die Verknüpfung von Diagnostik und Therapie durch das Schalten bestimmter Radioisotope als Anhängsel von Antikörpern und deren Einsatz zur Bildgebung oder Zellzerstörung macht den Bereich der Theranostik für internationale Investoren und große Pharmaunternehmen so interessant. Ein Börsengang in diesem Segment mit einer weit fortgeschrittenen Pipeline – die Pentixapharm auch durch den kürzlichen Kauf weiterer Antikörperkandidaten von der Berliner Firma Glycotope erweitert hat – könnte das von Branchenbeobachtern seit langem erhoffte positive Signal für Innovationen im Gesundheitssektor setzen.